Wir feiern in „meiner“ Gemeinde Gottesdienste nach einem neuen Konzept. Ich behaupte: das ist ziemlich einmalig. Aber wie sieht es nach 1,5 Jahren aus? Kommen mehr oder weniger Menschen? Kostet das Konzept weniger Arbeitszeit? Woher kommen Ideen für immer wieder neue Gottesdienste? Hier kommt eine aktuelle Auswertung!
Ende Oktober 2022 haben wir in „meiner“ Gemeinde ein neues Gottesdienstkonzept eingeführt. Eine ausführliche Erklärung findest du hier. Die Grundidee ist: du kannst deinen Gottesdienstbesuch bei uns so planen wie einen Theaterbesuch. Wenn du wissen möchtest, wie das in der Gemeinde vor Ort konkret aussieht, schau gerne hier vorbei.
Die erste Auswertung
Nach rund drei Monaten hatte ich bereits das erste Mal eine Auswertung gemacht. Jetzt folgt eine zweite Auswertung – nach rund 1,5 Jahren, die wir mit dem neuen Gottesdienstkonzept unterwegs sind.
Entwicklung der Besuchszahlen insgesamt
Ich kann es kurz und knapp zusammenfassen: das neue Gottesdienstkonzept ist für uns ein Erfolgsmodell. Wir haben sehr viel mehr Menschen in unseren Gottesdiensten. Insgesamt und auch vor allem viel mehr verschiedene Menschen.
Bevor wir unser neues Konzept gestartet haben, hatten wir einen durchschnittlichen wöchentlichen Gottesdienstbesuch von 39,6 (22. Oktober 2022). Ein halbes Jahr später lag dieser Wert bereits bei 70,2 (1. März 2023) und jetzt sozusagen der aktuellste Stand ist 81,8 (1. März 2024).
Wir können also feststellen, dass wir mit dem neuen Konzept einen starken Anstieg zu verzeichnen hatten und dass dieser sich auf einem geringeren Niveau weiterhin positiv entwickelt.
Wenn wir den letzten Wert vom aktuellen Konzept mit dem aktuellen Wert vom neuen Konzept vergleichen, dann ergibt sich ein Anstieg um 106%.
Auch wenn wir uns die Jahreszahlen und Weihnachten anschauen, erkennen wir diese positive Entwicklung. Wenn ich 2022 mit 2023 vergleiche, dann muss natürlich darauf hingewiesen werden, dass die letzten drei Monate von 2022 bereits mit dem neuen Konzept gefeiert wurden und 2022 entsprechend bereits deutlichen positiven Einfluss durch das neue Konzept erfahren hat.
Ich kann und möchte aber festhalten: es scheint mit dem neuen Konzept durchaus bislang ein „nachhaltiges Wachstum“ geschehen zu sein. Zumindest ist auch nach 1,5 Jahren noch Wachstum erkennbar.
Zwei Punkte sind mir hier jedoch wichtig zusätzlich zu erwähnen:
Die Gottesdienste werden durchaus sehr verschieden gut besucht
In der ersten Spielzeit wurden noch alle Gottesdienst ähnlich gut besucht. Hier ist vermutlich das Interesse noch einfach insgesamt groß gewesen – oder ggf. wurde das neue Konzept auch noch nicht vollständig verstanden. Aber seit der zweiten Spielzeit merken wir, dass die Gottesdienst-Stücke sehr unterschiedlich besucht werden. Manches schlägt so richtig ein und manches „floppt“ auch regelrecht.
Wir können also festhalten: es geschieht letztlich genau das, was wir erwartet haben: Menschen kommen nicht „einfach so“ zum Gottesdienst. Sie kommen „anlassbezogen“. Manche Anlässe sprechen mehr Menschen an, andere Anlässe deutlich weniger.
Die Gottesdienste werden größtenteils „einmalig“ besucht
Das ist weiterhin ein für uns insgesamt super spannender und wichtiger Punkt. Wir bieten ja die gleichen Gottesdienste mehrfach identisch an. Und über alle bisherigen Gottesdienste können wir die gleiche Entwicklung feststellen: der Großteil der Besucher:innen unserer Gottesdienste ist (in dem entsprechenden Gottesdienst-Stück) erstmalig da. In Zahlen ergibt sich durchschnittlich für alle bisherigen Gottesdienste:
Und die Arbeitszeit?
Ich werde regelmäßig gefragt, ob dieses Konzept mehr oder weniger Arbeitszeit benötigt. Meine Antwortet: andere Arbeitszeit. Es ist kein Arbeitsvermeidungsmodell. Es verändert nur die Arbeit. Z.B. investiere ich insgesamt weniger Zeit in die Predigtvorbereitung und dafür mehr Zeit in die Planung der Gottesdienste an sich. Welche Atmosphäre wollen wir schaffen? Wie können wir das ermöglichen?
Gleichzeitig verändert es die Arbeit an sich auch auf zeitlicher Ebene. Ich plane bei diesem Konzept sehr viel früher und auch die Predigten bereite ich oft grundsätzlich Monate vorher vor. Das ist auch deshalb nötig, weil wir ja immer im Voraus schon in die Werbung gehen und dort alle wichtigen Informationen für die Gottesdienste aufgeführt werden (z.B. auch worum es in der Predigt geht).
Woher kommen die Ideen?
Eine Übersicht über all unsere bisherigen Gottesdienste findest du hier. Manchmal werde ich gefragt, woher die Ideen kommen. Am Anfang des Konzeptes: vorrangig von mir. Inzwischen: ein bunter Mix! Unsere Kirchenmusikerin ist voller Ideen, Ehrenamtliche sprechen mich mit Vorschlägen an – und dann entstehen auch Ideen durch die Zusammenarbeit mit „Externen“ (z.B. ein Gospelquartett, dass nicht aus unserer Gemeinde ist).
Ich bin mir relativ sicher, dass uns die Ideen erstmal nicht ausgehen – zumindest habe ich noch eine prall gefüllte Liste. Und die Mehrheit der Ideen entstammt dort aktuell nicht von mir.
Und der Predigt-Kritikpunkt?
Es gab zu Beginn ja die Kritik, dass man dann nicht mehr jede Woche eine andere Predigt hören würde. Inzwischen höre ich oft und regelmäßig von den mehrfachen Besucher:innen, dass sie es auch gerade spannend finden, die Predigt mehrfach zu hören. Zum einen, weil sie jedes Mal auch etwas anderes hören und zum anderen: die Predigt lebt und wächst auch von Gottesdienst zu Gottesdienst in leichter Form.
Ist das so übertragbar auf andere Gemeinden?
Ganz ehrlich: das weiß ich nicht. Ich möchte auf jeden Fall nicht behaupten, dass unser Konzept die Lösung aller Gottesdienst-Probleme ist. Aber ich denke, dass man einiges von uns lernen kann:
- Grundsätzlich gibt es erheblich mehr Menschen, die Interesse am Gottesdienstbesuch haben – als aktuell die „klassischen Gottesdienste“ besuchen.
- Für einen erheblichen Teil dieser „potentiellen Gottesdienstbesucher“ ist ein unregelmäßiger Gottesdienstbesuch völlig ausreichend.
- Es erscheint eher unwahrscheinlich, dass sich der Aufwand grundsätzlich lohnt, jeden Sonntag einen anderen Gottesdienst anzubieten.
- Es scheint sich zu lohnen den Blick auf diese „neue Zielgruppe“ zu richten. Also: unterschiedliche Anlässe bieten und zufrieden zu sein, wenn Menschen vielleicht nicht jeden Sonntag, aber häufiger als sonst in den Gottesdienst kommen.
- Wer mehr Gottesdienstbesucher:innen erreichen möchte, sollte – egal welches Konzept man fährt – lieber nicht die Hoffnung haben, dass dies zu weniger Arbeit führt. Aber vielleicht zu anderer.
- Buntere Gottesdienste führen vermutlich in den meisten Fällen dazu, dass sich insgesamt mehr Ehrenamtliche einbringen – auch in der grundsätzlichen Ideenfindung für die Gottesdienste
- Der Anlass gewinnt. Damit meine ich Dinge wie: welche Art von Musik wird gespielt? Drinnen oder draußen? Auf Stühlen oder Sofas? Es lohnt sich hier mehr Zeit in die Vorbereitung und in die Vielfalt der Gottesdienste zu stecken. Die „inhaltliche Gestaltung“ (z.B. die Predigt) scheint mir nicht unwichtig, aber für die meisten Menschen mindestens zweitrangig.
Es gäbe sicherlich noch viel mehr auszuwerten und zu berichten – aber für heute muss das genügen (meine Bahnfahrt, die ich mir hierfür Zeit genommen habe, ist gleich vorbei ;-)).
Rückfragen und Anmerkungen?
Dann gerne bei mir melden!
Und auch wirklich gerne auf der Gemeindewebseite vorbeischauen. Es gibt dort Beschreibungen all der Gottesdienste und auch Livestream-Aufnahmen zum „Nachgucken“. Auf Wunsch schicke ich per Mail auch Abläufe und weitere Infos zu.
🙂