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Übernahme statt Fusion – ein neues Konzept für die Zukunft der Kirche!

Weniger Mitglieder, weniger finanzielle Möglichkeiten – viele Kirchengemeinden müssen sich neu aufstellen. Besonders beliebt: eine Fusion. Ich glaube aber, in den meisten Fällen wäre eine Übernahme die bessere Lösung. 

Der Trend hält nicht nur an, sondern nimmt (Stand jetzt) sogar ordentlich Fahrt auf: immer weniger Menschen sind Mitglied einer christlichen Kirche. Und da wir als Kirchen den Großteil unserer Einnahmen aus der Kirchensteuer, also den Mitgliedschaftsbeiträgen, gewinnen, heißt das letztlich auch: die allermeisten Gemeinden stehen (absehbar) vor der Herausforderung, dass sehr viel weniger Geld zur Verfügung steht.

Dazu kommt, dass auch immer weniger Pastor:innen von der Landeskirche angestellt werden können und gleichzeitig müssen sehr viele Gemeindehäuser und Kirchen saniert werden.

Und dann kommt auch noch hinzu, dass in vielen Gemeinden die Besuchszahlen zurückgehen. Also nicht nur weniger Mitglieder, sondern auch weniger Ehrenamtliche, weniger Gottesdienstbesucher:innen etc.

Faktisch haben wir also in vielen Fällen weniger Geld, weniger Pastor:innen, weniger Besucher:innen – aber nicht zwingend weniger Ausgaben, die auf uns warten.

Was kann man als Gemeinde tun?

Ursprünglich gab es mal innerhalb der landeskirchlichen Struktur sehr viele einzelne Gemeinden in Deutschland. Jede Gemeinde hatte ein sog. „Gemeindegebiet“, für das war man zuständig. Vereinfacht gesagt: eine Kirche, ein:e Pastor:in, ein (zu betreuendes) Gemeindegebiet.

Schon seit längerer Zeit hat sich dieses System so aber nicht mehr getragen und oft wurde dann eine (meist so genannte) „Fusion“ angestrebt. Das heißt: mindestens zwei Gemeinden haben sich zusammengetan.

Die Fusion

Manchmal hat man dann gesagt: wir behalten beide Kirchen, aber es gibt nur noch abwechselnd dort Gottesdienste. Manchmal wurden so aus zwei Pastor:innen nur noch ein:e. Manchmal wurden Gebäude geschlossen und man hat sich auf einen Standort geeinigt… letztlich gilt: Fusion kann schon sehr verschieden gestaltet werden.

Aber: Grundsatz ist eigentlich erstmal immer, dass sich zwei Gemeinden auf Augenhöhe begegnen und man überlegt dann gemeinsam, wie man zukünftig zusammen unterwegs sein kann.

Dabei geschieht die Fusion eigentlich immer deshalb, weil irgendwas „fehlt“ oder absehbar fehlen wird. Eine Pastor:innenstelle, das Geld zum Gebäudeerhalte, die Besucher:innen…

Nachteil #1 der Fusion: Nur eine Schmerztablette

Aus meiner Sicht bietet die Fusion fast nur Nachteile. Grundproblem: sie löst nie das eigentliche Problem (warum treten Menschen aus, warum kommen sie nicht mehr zur Kirche etc.).

Als Vergleich: wenn ich Kopfschmerzen habe, dann kann ich eine Schmerztablette nehmen und dann habe ich hoffentlich relativ schnell Ruhe. Aber vielleicht sind die Schmerzen am nächsten Tag wieder da. Und dann kann ich natürlich wieder eine Tablette nehmen – aber ich löse so nicht den Grund für meine Schmerzen.

Ähnlich bei der Kirche und Fusion: sie hilft für eine kurze Zeit. Aber sie versucht nicht das eigentliche „Problem“ zu lösen.

Letztlich „skaliert“ man nur innerhalb der landeskirchlichen Struktur. Beispielhaft gesagt: Aus zwei Gemeinden, wo bislang jeweils galt „1 Pastor:in, 1 Kirche, 2.500 betreute Gemeindemitglieder“ wird dann „1 Pastor:in, 1 Kirche, 5.000 betreute Gemeindemitglieder“. Man spart so eine Pastor:in, kann sich von einer Kirche trennen und hat aber gar nichts am eigentlichen Problem gelöst, sondern einfach nur das System hochskaliert.

Haken an der Sache? Naja, die Fusions-Tablette wirkt vielleicht für ein paar Jahre und wenn die Schmerzen wieder kommen, dann nimmt man eben wieder eine Tablette und skaliert einfach weiter auf sowas wie „1 Pastor:in, 1 Kirche, 10.000 Gemeindemitglieder“.

Das kann man natürlich machen. Es hilft, dass das bestehende System maximal Lange (künstlich) am Leben gehalten wird.

Mir fehlt bei der Fusion aber das, was mir Hoffnung auf Veränderung schenken soll. Ich meine damit: Wenn zwei Gemeinden merken, dass sie „niedergehen“ –  was genau soll besser werden, wenn sie sich zusammentun und faktisch eigentlich immer genauso weitermachen wie bisher, nur eben gemeinsam?

Ein neuer Ansatz

Ich glaube, dass ein anderer Ansatz genau das liefern könnte. Und zwar wenn wir weniger in „Fusion“ und dafür mehr in „Übernahmen“ denken. Damit meine ich: es gibt noch genug Gemeinden, die „gut“ laufen. In denen vieles gut funktioniert.

Ich nenne diese „guten“ Gemeinden jetzt einfach mal „gesunde Gemeinden“. Und damit meine ich solche Gemeinden, die aktuell nicht über eine Fusion nachdenken müssen. Warum das so ist, ist erstmal zweitrangig. Fakt ist: es gibt noch genug gesunde Gemeinden.

Und ich glaube, dass wir uns auf diese konzentrieren müssen. Ich glaube, dass es deutlich erfolgsversprechender ist, wenn gesunde Gemeinden nicht mit anderen fusionieren, sondern dass sie solche Gemeinden übernehmen, die alleine nicht mehr überleben würden.

Damit meine ich auch, dass wir aufhören sollten, dass zwei oder mehr Gemeinden fusionieren, die jeweils einzeln nicht mehr überleben würden.

Neue Mathe-Regeln

Minus mal Minus macht in diesen Fällen aus meiner Sicht nur sehr selten plus. Dafür ergibt, so meine These, plus mal minus deutlich öfter plus. Was ich damit sagen möchte:

Was heißt Übernahme?

Ich meine damit: Wenn eine Gemeinde gesund ist und eine andere nicht und wenn sich dann diese bei einer Fusion zusammentun , dann würden sie lange zusammensitzen und überlegen, wie sie in Zukunft gemeinsam unterwegs sein wollen. Es geht nicht nur viel Zeit verloren, sondern eigentlich immer entsteht letztlich eher eine neue Gemeinde. Es A und B und herauskommt (Fusion-)C.

Bei einer Übernahme passiert das nicht. Sondern es wird so weitergemacht, wie es die gesunde Gemeinde vorgibt. Also: kein neuer Name, kein neues Logo, kein gemeinsamer Kirchengemeinderat, kein neuer gemeinsamer Gemeindebrief. Keine neue Gemeinde.

Aus A und B wird A (wenn A die gesunde Gemeinde war).

Vorteile an der Übernahme

Die gesunde Gemeinde verliert sich nicht in den Fusionsprozessen. Sie entscheidet, wie die andere Gemeinde eingegliedert wird. Sie kann die erfolgreichen Konzepte und Strukturen übertragen und anpassen.

Als Vergleich stelle ich mir zwei Unternehmen vor. Das eine ist stark in Deutschland vertreten (A), das andere in Frankreich (B). Das Unternehmen A ist gesund, das Unternehmen B nicht (mehr). Anstatt nun ein neues Unternehmen zu gründen, übernimmt A B. A kann nun überlegen, ob B erstmal genauso weitermachen soll wie bisher. A könnte aber auch seine gut laufenden Produkte im Land von B anbieten.

Übertragen auf die Gemeinden: vielleicht hat die eine Gemeinde ein gutes Gottesdienst-Konzept. Oder ist richtig stark in Jugendarbeit. Oder bietet im Sommer einfach richtig gute Familienfreizeiten an. Nach der Übernahme kann all das genau so bleiben – und entweder wird es kopiert und auch in den Gebäuden der Gemeinde B angeboten oder die Menschen aus Gemeinde B werden jetzt einfach neu als Zielgruppe für Gottesdienste, Jugendarbeit oder Familienfreizeit in Gemeinde A verstanden.

Und die Nachteile?

Naja, seien wir ehrlich: für Gemeinde B ist das nicht so schön. Denn es heißt, dass viel aufgegeben werden muss. Übernahme geschieht nicht auf Augenhöhe. Das Wort „feindliche“ klingt bei Übernahme schnell mit. Das ist  natürlich nicht gemeint. Die Übernahme kann (auch rein rechtlich) nur ablaufen, wenn Gemeinde B sich dafür entscheidet. Dennoch: es ist eine ganz andere Herangehensweise und sie geschieht unter ganz anderen Vorzeichen als eine Fusion.

Das heißt auch: ein Kirchengemeinderat (der Gemeinde B) entscheidet sich faktisch für eine Art „Auflösung“ der Gemeinde. Konkret gesprochen: alle Gebäude, alle Rücklagen, alle Einnahmen etc. gehen an Gemeinde A. Und der dortige Kirchengemeinderat entscheidet, wie er damit nun umgeht.

Diese Idee ist nicht fertig

Das was ich dir hier schreibe ist noch überhaupt nicht zu Ende gedacht. Es ist ein Blog-Beitrag und wie alle meine Beiträge schreibe ich diese einfach herunter. Ohne Konzept, ohne wochenlanges Strukturieren.

Deshalb: versteh diesen Beitrag als Idee. Vielleicht sage ich selbst in ein paar Wochen: echt Murks.

Vielleicht ist es aber auch ein Impuls. Für dich. Für uns alle, die wir in Kirchen aktiv sind.

Ich bin mir nicht sicher, ob das mit den Übernahmen eine wirklich gute Idee ist. Aber ich bin mir sehr sicher, dass Fusionen jetzt lange genug bewiesen haben, dass sie keine Lösung sind.

Wir brauchen ein anderes Konzept für die Zukunft unserer Kirchen.

Mein Vorschlag seit heute: Übernahmen statt Fusionen. Und jetzt bin ich auf deine Meinung gespannt!

 

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7 Comments

  1. Lukas Huber says:

    Im Buch «Reclaiming Glory» von Mark Clifton werden verschiedene Optionen für sterbende Kirchgemeinden durchdekliniert, unter anderem die Übernahme, wie im Blogbeitrag beschrieben. In einem ganz anderen Kontext natürlich, nämlich in Amerika, trotzdem fand ich die Lektüre sehr hilfreich.

    1. juhopma says:

      Danke! Kannst du das Buch insgesamt empfehlen? Und gibt es sowas wie ein „Fazit“?

      1. Ja, ich finde das Buch sehr empfehlenswert. Ich habe es nicht nur ganz gelesen, sondern ein Exzerpt geschrieben mit, am Ende des Exzerpts, ein paar Zeilen über das, was ich für meinen (Schweizer) Kontext mitnehme. Du findest das Exzerpt hier: https://app.box.com/s/ovd66esdg875ls1feaw845nrleat4ao3

        1. juhopma says:

          Mega, danke!

  2. Burkhard Lücking says:

    Hallo zusammen, ich bin ein „Alter“ Student ökumenisch Theologie in Siegen und habe unter anderem in einem Opernhaus als „Erklärbär“(Musiktheaterpädagoge) gearbeitet. Und Organisationsberatung hab ich auch u.a. bei der Polizei in NRW gemacht. In „meinem“ Bistum Essen (habe weder Amt noch Würden) hat man sich – so meine Meinung- in genau der „Organistationsentwicklung“ „verrannt“ im wahrsten Sinne des Wortes viel zu schnelles Tempo und 80er Jahre Modelle „abgearbeitet“ (Leit(d)Bilder entwickelt Entwiclungspläne geschrieben und Dogmen wie „Kirchturmdenken schlecht“ in die Welt gesetzt…… Es lohnt sich das Buch Familienreligiosität zu besorgen (nicht einfach da Habilitationsschrift) da ist in Interviews über 5 Generationen untersucht „was hat beim dranbleiben geholfen was hat rausgekickt“ erschreckend kontinuierlich . Mir hat zusätzlich zur Lagebeurteilung die empirischen Untersuchungen von Fowler und Streib zur individuellen Glaubensentwicklung geholfen…. Ich habe gemerkt das wir dringend in der Glaubensweitergabe anders als die letzten 30 Jahre mit „gutgemeinter“ Konfiarbeit oder Religionspädagogik arbeiten sollten das tut aber weh das anzunehmen …Vielleicht helfen diese Hinweise
    Lg Burkhard Lücking

    1. juhopma says:

      Danke dir!

  3. Bärbel says:

    Für mich bedeutet Fusion und Übernahme: Geschäft, Betriebswirtschaft, Amortisation, Personalabbau, Abstossung von aus wirtschaftlicher Sicht Überflüssigem. Bei beidem kommen fast immer die Menschen und ihre Bedürfnisse und Gefühle zu kurz. Bei uns hat eine Kirchengemeinde von den Gemeindemitgliedern Spenden und ehrenamtliche Arbeit über Jahre bekommen, um eine Gemeinde, eine Kirche zu erhalten. Jetzt wurde entschieden, wir machen zu. Punkt. Restspenden in 5-stelliger Höhe gehen an andere Projekte. Vielleicht findet sich ja noch irgendeine Lösung für Kirche und Orgel oder auch nicht. (Offizielle Aussage)
    Kirchensteuer und Verbeamtung haben die Kirche zu einer Firma gewandelt.
    Findet einen eigenen Weg. Machts wie Martin Luther. Schaut den Menschen aufs Maul, findet heraus, was sie brauchen und was Kirche heute ist und bieten kann. Ausser Taufe, Konfirmation, Hochzeit, Beerdigung, Ostern und Weihnachten. Lasst es Pfingsten werden. Jede Sekte gewinnt neue Mitglieder – warum laufen sie der Kirche weg? Sie zeigen Präsenz, „kümmern“ sich, geben den Mitgliedern das Gefühl, am richtigen Platz zu sein, dazuzugehören.
    Manchmal habe ich das Gefühl die Kirche kommt irgendwo nach Finanzamt, Krankenkasse, Feuerwehr und Polizei – mit größerem Abstand. Man zahlt, damit der Laden läuft, aber eigentlich sieht man die regelmäßige Finanzierung dieser Behörden durch den einzelnen als „Abzocke „. Ein Pluspunkt sind noch die kirchlichen Feiertage, aber die werden ja auch langsam abgeschafft, so hat man fast das Gefühl, wenn es – wie in Hamburg schon wegen der Schenkung eines Weihnachtsbaums zu einer Strafanzeige kommt, Weihnachtsmärkte in Wintermärkte umgetauft werden, St. Martinstag verlegt und dann ein „Laternenfest“ wird usw.
    Hört Euch doch mal die Gospelsongs von Elvis (und auch vielen anderen Gesangsstars) an, die Teil grosser Karrieren waren. Diese Musik ist Kirche, Gemeinde und Gemeindeleben und lasst euch eine neue Erweckungsbewegung einfallen, bevor es keinen mehr zum Erwecken gibt.
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