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Was macht ein Vikar eigentlich so?

Vikare sind Pastoren in der Ausbildung. Aber was macht man da eigentlich so? Den Tag oder die Woche über? Arbeiten Pastoren nicht nur Sonntags und den Rest der Woche haben sie frei? Naja. Fast. Eine Jobbeschreibung. Eine Liebeserklärung. Und ein Aufruf. #werdetvikare #vikaregesucht #traumjob

Nein, ich gucke nicht nur Netflix. Manchmal auch Amazon Prime. Und Neuerdings auch Dazn. Gut, und Zeit lesen muss ich ja auch noch zwischendurch. Also… das Leben als Vikar ist gar nicht so unstressig!

Nein im Ernst: Was ich als Vikar den Tag oder die Woche über mache? Ich glaube ganz allgemein kann ich sagen: Das ist von Tag zu Tag und von Woche zu Woche verschieden. Das kann man lieben. Oder hassen. Ich finde es toll und genieße es – und kann es dir nur empfehlen 😉

Gemeinde und Predigerseminar

Aber erstmal grundsätzlich: Das Vikariat als Ganzes ist der praktische Ausbildungsabschnitt auf dem Weg, um Pastor zu werden (erst – bei mir – sechs Jahre Theologiestudium, dann 2 ½ Jahre Vikariat). Und im Vikariat gibt es dann wiederum zwei verschiedene „Arbeitssituationen“: Entweder ich bin in der Gemeinde oder im Predigerseminar.

Letzteres ist immer blockweise von Montag-Freitag mit meinem gesamten Kurs zusammen (ich glaube wir sind noch 12 aktuell). Die Seminare haben ganz verschiedene Themen und Inhalte. Am Anfang gab es z.B. Wochen zu Pädagogik, es gab mal eine Woche zum Thema Beerdigung, zu Leitung etc. Diese Seminarwochen sind nicht nur theoretisch, aber im Vergleich zur Gemeinde eher der „theoretische Teil“ des Vikariats.

Das Predigerseminar und das Leben dort als Vikar wäre vermutlich einen eigenen Beitrag wert. Ich will dir aber jetzt erstmal nur von meinem Arbeiten als Vikar in der Gemeinde erzählen.

Das Arbeiten und Leben als Vikar

Wenn ich gefragt werde, wie ich arbeite, dann sage ich meistens: Ich arbeite wie ein Selbstständiger – nur mit gesichertem Gehalt. Damit meine ich: Natürlich gibt es feste Termine in der Gemeinde bzw. in meinem Vikariat. Z.B. habe ich als Vikar einmal die Woche eine sog. „Regionalgruppe“ – wir (sechs Vikare aus Hamburg) treffen uns für vier Stunden Supervision mit unserem Mentor. Und es gibt auch feste Zeiten, an denen sich alle (angestellten) Mitarbeiter meiner Gemeinde zur Besprechung treffen. Einmal im Monat ist auch Kirchengemeinderat (das Leitungsgremium der Gemeinde) und es gibt je nach Gemeinde noch weitere feste Verwaltungs-, Planungs-, oder Leitungsgremien. Aber es bleibt eben auch viel Zeit, die ich mir selber einteile – deshalb meine Beschreibung, dass ich (zumindest teilweise) arbeite wie Selbstständiger.

Wochen ohne Enden

Als Pastor hat man eine 7-Tages-Woche. Wir Vikare leben in irgendeiner Zwischenwelt (beim Urlaub gilt die 5-Tages-Woche für uns, beim Arbeiten dann wiederum nicht). Fakt ist: Wir haben nicht einfach einmal die Woche Wochenende – und damit frei. Wir haben auch nicht zwei andere Tage in der Woche frei.

Kirchenrechtlich sollen Pastoren darauf achten, dass sie pro Woche einen dienstfreien Tag haben. Bei vielen ist das der Montag. Auch in meinem Vikariat war der Montag mein „freier“ Tag. Zumindest habe ich versucht, an diesem Tag keine Arbeitstermine zu haben. Alle anderen Tage sind Arbeitstage – aber keine „klassischen“ Arbeitstage.

Kein Tag wie der andere

Es gibt Tage, da habe ich um 8 Uhr morgens einen Termin. Dann einen um 12, dann einen um 2, einen um 5 und dann noch einen um 8 Uhr Abends. Aber manchmal habe ich auch nur Mittags einen festen Termin. Oder nur Abends. Oder nur Morgens. Naja, also ich denke, du hast das Prinzip verstanden. In diesem Sinne ist einfach jeder Tag anders.

Das ist Vorteil und Nachteil zugleich. Auf eine Art bin ich sehr flexibel. Auf eine andere Art eben auch super unflexibel. Ich habe nicht einfach das Wochenende frei. Ich kann nicht schon jetzt sagen, dass ich nächstes Jahr im März am Wochenende kann. Denn vermutlich arbeite ich da. Auch arbeite ich nicht einfach X Stunden am Tag am Stück. Nicht selten fange ich morgens zwischen 8-9 mit der Arbeit an und schreibe noch Abends um 12 an einer Predigt. Natürlich habe ich nicht durchgehend dazwischen gearbeitet (das kann aber auch passieren). Trotzdem: ein klassischer Feierabend? Als Vikar und Pastor nicht vorhanden.

Wir haben auch keine Stundenvorgabe. Ich habe keinen Vertrag, in dem steht, wie viele Stunden ich arbeiten soll. Es liegt in meiner Hand. Ich kann es versuchen entspannt zu gestalten. Oder – wie die meisten Pastoren – schnell auf 60 Stunden die Woche kommen. Das ist bei einer 7-Tages-Woche aber eben auch schneller erreicht, als man denkt.

Was für Termine hat man als Vikar?

Die (festen) Termine je Woche sind sehr verschieden. Manchmal eben Gremienarbeit. Manchmal Gespräche mit Menschen (Seelsorge), manchmal Kasualien (Beerdigung, Taufe, Trauung) und entsprechende Vortreffen, in meinem Fall auch Auswertungsgespräche mit meinem Anleiter (der Pastor der Gemeinde, der mich mit ausbildet und begleitet).

Es gibt auch monatliche Zusammentreffen von allen Pastoren einer Region. Dann je nach Gemeinde sehr unterschiedliche Angebote in der Gemeinde (Gesprächskreise, Sportgruppen, Musikgruppen, Seniorenkreise, Jugendgruppen…) – zu diesen muss man natürlich nicht immer hin, aber je nach Gemeinde kann es sein, dass man in diesen Gruppen durchaus (stärker) involviert ist.

Es bleibt: frei gestaltbare Zeit

Trotzdem: Nach all den Terminen bleibt immer noch eine verhältnismäßig große Menge an „freier“ Zeit. Was ich da so mache? Naja, ich benötige einen Teil dieser Zeit, um die Termine bzw. Treffen vorzubereiten.

Z.B. hatte ich einmal im Monat am Samstag Konfirmandenunterricht. Und einmal im Monat am Freitagabend Vorbereitung dieses Tages mit den Teamern. Das heißt: An sich nur zwei Termine. Aber ich musste erst das Vorbereitungstreffen vorbereiten und dann noch einmal den tatsächlichen Konfirmandenunterricht. Sprich: Beide Termine haben Vorbereitungs- und Nachbereitungszeit.

Oder wenn ich eine Beerdigung mache: Dann treffe ich mich mit der/dem/den engsten Angehörigen für ein Gespräch, vielleicht 2-3 Stunden. Ich plane dann die Trauerfeier und schreibe die Predigt – vielleicht nochmal 2-3 Stunden. Außerdem telefoniere ich mit dem Bestatter zwecks weiterer Absprachen. Und dann die eigentliche Trauerfeier an sich sind dann vielleicht nochmal zwei Stunden Zeitaufwand.

Für eine normale Predigt am Sonntag benötige ich dagegen deutlich mehr Zeit. Ich rechne mit 10 Stunden pro Sonntagspredigt. Aber auch andere Treffen müssen vorbereitet oder nachbereitet werden. In diesem Sinne gibt es viel Zeit, die vermeintlich „frei“ ist da kein Termin ansteht, die mit anderen Terminen quasi „verbunden“ ist.

Jeder Tag ist anders anders

Was für mich als Vikar noch quasi ausfällt, sind all die spontanen und unvorhergesehen Dinge. Als Pastor ist man in seinem Pastorat öffentlich erreichbar. Per Telefon und per Haustürklingel. Also es kann gut sein, dass man sich gerade erst hingesetzt hat, um endlich die Predigt vorzubereiten – und schon klingelt das Telefon oder jemand steht an der Haustür. Mal mit wichtigen Anliegen, manchmal vielleicht auch „nur“ zum Reden. Trotzdem: Das führt dazu, dass jeder Tag nochmal deutlich anders kommen kann, als geplant. Das hatte ich im Vikariat eigentlich gar nicht. Was aber auch daran liegt, dass ich ja nicht im Pastorat direkt an der Kirche wohne. Und meine Telefonnummer ist auch nicht öffentlich bekannt.

Gestaltungsmöglichkeiten

Was ich an meinem Da-Sein als Vikar (und am Pastoren Da-Sein allgemein) sehr schätze: Wir haben sehr große Gestaltungsmöglichkeiten. Natürlich gibt es in jeder Gemeinde ein festes „Programm“. Ich muss den Gottesdienst am Sonntag machen. Beerdigungen, Taufen, Trauungen stehen außer Frage. Ich muss auch zu den meisten der Verwaltungs-, Leitungs-, Planungsgremien hin. Konfirmandenunterricht muss sein.

Aber in den meisten Fällen bleibt dann noch Zeit zu einer persönlichen Gestaltung des Berufs. Ich z.B. konnte in meinem Vikariat meine Leidenschaft nach Musiktheater ausleben und habe Leute gesucht, mit denen wir dann ein Musiktheater-Stück in der Gemeinde aufgeführt haben. Oder ich konnte einen sog. „Glaubenskurs“ für Erwachsene anbieten. Oder ich konnte einen Teil meiner „freien“ Zeit dafür verwenden, um mit möglichst vielen Ehrenamtlichen meine Gottesdienste zu gestalten. Mit ihnen mal eine Predigt zusammenschreiben oder mich mit ihnen treffen und überlegen, wie wir den Gottesdienst gestalten wollen.

Keine Floskel: Dieser Job ist abwechslungsreich!

Sicherlich: Jeder Job hat Vorteile und Nachteile. Ich habe mir vor kurzem ausgerechnet, wie viele freie+Urlaubstage ein „normal“ Angestellter hat (also 6 Wochen Urlaub und alle Wochenenden frei und alle Feiertage frei). Und wieviel ich frei habe und frei haben werde. Das ist höchstgradig ernüchternd. Wirklich.

Und ja: man arbeitet tendenziell irgendwie den ganzen Tag. Wie häufig habe ich mir gewünscht, einfach mal morgens zur Arbeit hin und abends zurück. Und ab Freitagmittag ans Wochenende denken. Hach…

Aber dann… bin ich eben doch sehr froh über all die Freiheiten und Möglichkeiten als Vikar bzw. Pastor. Bei allen Vorgaben und festen Terminen: Ich habe sehr viele Freiheiten. Freiheiten meinen Tag an sich zu gestalten. Freiheiten die Ausübung meines Jobs zu gestalten.

Ich arbeite viel mit Menschen. Verschiedenen Menschen. Ich darf planen und ausführen. Ich darf leiten. Ich kann Ideen einbringen. Ich darf mich von Menschen begeistern lassen. Ich kann alleine arbeiten. Muss ich aber nicht.

Ich habe mit fröhlichen und traurigen Situationen umzugehen. Ich darf Texte produzieren. Ich darf Texte vortragen. Ich kann mich mit genau meinen Stärken in meinen Beruf einbringen. Ich habe keinen direkten Chef, der darauf achtet, wann und wie ich arbeite. Ich schreibe z.B. sehr gerne spätabends und nachts meine Predigten. Und meistens ist das kein Problem, denn dafür kann ich ja am nächsten Morgen später aufstehen.

Werdet Vikare!

Also, ich glaube, was ich eigentlich sagen möchte: Werdet Vikare! Werdet Pastoren! Ich bekomme keine Provision und wurde nicht zu dieser Aussage gezwungen. Kein Scheiß 😉 Ich mag meinen Job sehr! Ich freue mich sehr darauf Pastor zu werden!

Klar, das Theologiestudium… naja. Ist nicht für jeden was. Ich war damit glücklich. Und das Vikariat und die Kirche – du weißt ja durch meinen Blog, dass ich mich durchaus reibe. Aber ganz im Ernst: Selbst für einen Meckerer wie mich ist Platz in dieser Kirche. Selbst diese Freiheit wird mir geschenkt. Andere Arbeitgeber hätten mich vermutlich schon längst rausgeworfen.

Berufung vor Beruf

Ich gebe zu bzw. sage ganz offen: Ich halte nichts davon, wenn du jetzt Pastor werden willst, nur weil der Beruf so toll ist. Ich bin davon überzeugt, dass man sich – auf eine Art – „berufen“ fühlen sollte, um Pastor zu sein.

So doof der Satz klingt, er stimmt für mich: Pastor sollte mehr als ein Beruf sein. Er sollte Berufung sein. Aber wenn du dich auch nur ansatzweise berufen fühlst, einen inneren Ruf hast, dich von Gott geleitet führst, aus eigener Überzeugung darüber nachdenkst, Pastor zu werden und den Menschen von Jesus zu erzählen – ganz im Ernst. Dann werde Vikar. Und natürlich auch Vikarin. Werde Pastor oder Pastorin!

Und wenn du noch Fragen hast: einfach schreiben!

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