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Nehmt diesen Gottesdienstpreis zurück!

Es wurden die besten „digitalen Ostergottesdienste“ ausgezeichnet – und ich bin fassungslos: Das Format „Gottesdienst“ wird absoluter Willkür und Belanglosigkeit ausgesetzt. Die Auszeichnung ist eine erschreckende Feier von Inhaltslosigkeit. Und der ausgezeichnete Gottesdienst eigentlich nur ein Werbevideo für einen Skatepark – mit einem maximal unpassenden Namen. #rant

Ich bin echt auf 180. Ich bin wütend. Und das schon seit ein paar Stunden. Denn seitdem ich von dem „Gottesdienstpreis 2021“ gehört habe, würde ich am liebsten mit dem Kopf ziemlich doll gegen eine Wand laufen und hoffen, dass ich danach vergessen habe, was ich da lesen und sehen musste.

Ganz ehrlich: ich habe vorher noch nie von diesem Preis gehört. Ich zitiere mal von der Webseite der „Stiftung zur Förderung des Gottesdienstes – Karl Bernhard Ritter Stiftung“, was sie über sich und diesen von ihr verliehenen Preis sagt: „Ziel der Stiftung ist die Förderung einer qualitativen Gottesdienstarbeit sowie die Stärkung zeitgemäßer Gottesdienstformen. Die Gottesdienst-Stiftung möchte Pfarrerinnen und Pfarrer bei der Umsetzung dieser Ziele ermutigen und unterstützen.“

Soweit so gut. Finde ich ja erstmal schön und unterstützenswert. Aber… es wurden zwei „Gottesdienste“ ausgezeichnet, und ich schreibe die Anführungszeichen schon sehr bewusst an dieser Stelle. Bei dem einen Beitrag, okay… würde ich noch durchgehen lassen. Vielleicht gab es ja auch nur drei Bewerbungen (nein es waren angeblich 60). Aber bei dem anderen muss ich echt sagen: was ist da denn bitte schief gelaufen?

Und ich meine nicht nur die Auszeichnung und die Entscheidung der Jury, sondern auch die Gemeinde und Aktion an sich. Damit du dir auch ein Bild machen kannst – ich präsentiere dir hiermit den besten digitalen Ostergottesdienst 2021:

Was dieses Video ist: Es ist ästhetisch, professionell gemacht. Es sieht gut aus, es klingt gut. Ja, es gefällt mir echt! Ich habe kein Problem damit, dass Leute in der Kirche eine Halfpipe aufbauen. Ich wünsche mir ja eine bunte und vielfältige Kirche – also echt: ich habe gar nix gegen das Video.

Aber bei allem positiven, was man über das Video sagen kann. Bei allem, was das ist. Es ist einfach kein Gottesdienst.

Liebe Jury-Mitglieder:innen: wenn das für euch ein Gottesdienst ist – dann ist (mit Verlaub) jeder Quarkhaufen den wir in einer Kirche essen ein Gottesdienst. Es steht passenderweise beim Video auch nicht dabei, dass es ein Gottesdienst sein soll. Die Beschreibung ist kurz und besagt „Ostern ganz anders“. Das ist ja völlig okay, wenn wir das als künstlerische Auseinandersetzung mit Ostern verstehen und wenn die Sprünge des Bikers irgendwie „österliche Freudensprünge“ darstellen sollen – ja, dann ist das ein richtig nices, gut gemachtes Video zu Ostern. Aber deshalb doch kein Gottesdienst. Faktisch ist das ein Werbevideo für… ja, und da hört dann bei mir jegliches Verständnis auf. Denn in der Kirche wurde dort wo man Altar und Kreuz vermutet/erwarten würde eine Halfpipe mit der dicken Aufschrift „Schlachthof“ aufgestellt.

Weil ich meiner Fassungslosigkeit nicht besser ausdrücken kann, mal in Großbuchstaben: IST DAS EUER ERNST MIT DEM SCHLACHTHOF? Ein Video an Ostern in der Kirche und statt Kreuz&Altar sehe ich ein dickes „Schlachthof“?! Was ist denn bitte verkehrt bei euch? Ist das euer f***ing Ernst?

Dann ist das Video fast vorbei und ich denke mir, okay, vielleicht kommt noch irgendein Hinweis auf Ostern? Auf die Kirche? Irgendwas? Aber nein, dann kommt ein Abspann in dem völlig unverständlicherweise ein Pastor und eine Pastorin genannt werden (ehrlich: why?!) und danach kommen alle Beteiligten am Video und bezeichnenderweise kommt nochmal als erstes ein dickes „Schlachthof“ (habe gegooglet: der örtliche Skatepark glaube ich), dann noch der entsprechende Skateverein und zum Schluss der Laden, der das Video erstellt hat. Was nicht kommt? Irgendein Bezug zur entsprechenden Kirche. Echt. Kein einziger.

Wir haben als Setting eine Kirche, es wird zweimal ne Kerze gezeigt und random werden zwei Pastor:innen-Namen eingeblendet. Und das ist jetzt ein Gottesdienst. Achne, das ist ja nicht nur ein Gottesdienst, sondern gleich noch der beste digitale Ostergottesdienst 2021.

Liebe Stiftung, wisst ihr was eure Auszeichnung ist? Ein Tritt ins Gesicht all derer, die sich seit Monaten bemühen digitale Gottesdienste anzubieten. Ich habe mir zu Ostern tatsächlich einige digitale Ostergottesdienste angeguckt. Und ohne scheiß jetzt: es hätte so gute Möglichkeiten zur Auszeichnung gegeben. Es gibt so viele Leute, die seit Monaten beständig gute digitale Gottesdienste anbieten. Vermutlich haben die sich bei euch nicht beworben. Aber das darf und kann keine Ausrede sein. Wer so einen Preis auszeichnet, muss dann im Zweifel auch ein wenig schauen, was der „Markt“ so bietet.

Ihr schreibt, dass euer Ziel „die Förderung einer qualitativen Gottesdienstarbeit sowie die Stärkung zeitgemäßer Gottesdienstformen“ sei. Qualitativ ist an diesem Video die Machart, ja. Aber das ist in meinen Augen eine maßlose Unterschätzung dessen, was „qualitative Gottesdienstarbeit“ zu bedeuten hat. und „zeitgemäß“ ist die Form – aber zeitgemäße Gottesdienstformen stehen doch nicht für inhaltsleer. Ihr möchtet als Stiftung „Pfarrerinnen und Pfarrer bei der Umsetzung dieser Ziele ermutigen und unterstützen“ – aber was ihr wirklich getan habt, ist das Format „Gottesdienst“ der Willkür und Belanglosigkeit auszusetzen. Dieser Preis ist nicht ermutigend und unterstützend, sondern eine erschreckende Feier von Inhaltslosigkeit.

Und nochmal: es gibt mehr als genug qualitativ hochwertige und zeitgemäße Gottesdienste da draußen. Dass am Ende ein schicker Werbeclip für den örtlichen Bikerverein als bester digitaler Gottesdienst 2021 ausgezeichnet wird… ey, das ist mir echt peinlich und unangenehm.

So, und was ich mir tatsächlich wünsche: nehmt den Preis zurück. Oder liebe Gewinnergemeinde (ich kenne euren Namen nicht, aber Schlachthof geht mir nicht mehr aus dem Kopf… merkste vielleicht selbst…): gebt ihr ihn doch zurück. Oder wenn das keine Lösung ist, dann lasst das einfach in Zukunft mit der Auszeichnung. Keine Ahnung. Aber so steuern wir als Kirche mit voller Kraft in die Bedeutungslosigkeit. Und zwar mit Pauken und Trompeten. Oder Rädern und Halfpipes oder so.

 

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5 Comments

  1. Pastor Karl-Martin Voget says:

    Du schreibst mir aus der Seele. Vielleicht war ich auch schon zu müde für irgendwelche Kommentare zu solchen „Auszeichnungen“, aber Du hast völlig Recht. Und schaffst es auch bei allem Ärger fair zu bleiben und das Gute daran zu loben und nur den Etikettenschwindel deutlich zu benennen. Meine Hochachtung und 100%-ige Zustimmung !!

  2. Tobias Kaiser says:

    Moin.

    Meine „kirchendistanzierten“ und ganz OK gebildeten Freunde haben das Video verstanden.

    Ein Mensch vollzieht Freudensprünge.

    Er vollzieht diese Sprünge auf einem Totenkopf, dem klassischem Symbol für den Tod.
    Er tut dies in einer Kirche. Einer eindeutigen Referenz auf den christlichen Glauben.

    O-Ton „Das wird wahrscheinlich wegen seiner Auferstehung von den Toten so sein, oder?“

    Denen die sich in der Region Auskennen wissen, das der BMX Park, ein Ort der Freudensprünge,
    des gemeinsamen Lernens, der Kooperation, des Sportes und Zusammenlebens, ein Ort der freien Jugendarbeit,
    einst der Ort des Todes und des Schlachtens war.

    O-Ton „Ach das passt thematisch ja voll gut zu der kirchlichem Ostersache, viel besser als der altbackene, traurig gestelzte Tüddelkram da sonst.“

    Meine kirchendistanzierten Freunde wurden durch diesen online Gottesdienst erreicht.
    Ich habe innerlich Freudensprünge gemacht.
    Wir stiegen in tiefe Gespräche ein.

    Wenn Sie auf Altbackenen Kram stehen, dann drücke ich es so aus: „Ihnen riss der Vorhang, zum heiligsten des Tempels“.
    Das schafft die Menge an anderen abgefilmten Gottesdiensten nicht.
    Die werden nicht mal wargenommen.

    Mehr Mühe Ihren wütend dahingekotzen Beitrag zu kommentieren mache ich mir nicht.
    Hand aufs Herz und ohne lügen: Das haben sie bei der Erstellung des Gleichen ja auch nicht.

    Es bliebt Ihnen doll zu wünschen übrig, das sie sich, nach dem sie sich vielleicht etwas abgeregt haben, an das erinnern was sie im Studium über Kasualien, Liturgik, Kommunikation des Evangeliums und vielleicht auch mit röffentlicher Giftspritzerei im Internet gelernt haben.
    Es könnte ja sein, das das noch jemand ließt, bevor Sie es überarbeiten und das kann ja niemand wollen.

    In meiner unfreundlichen und überheblichen Art (haben Sie sicher schon erkannt) empfehle ich Ihnen eine Abkürzung:
    Schreiben sie die Juror*Innen doch mal an und fragen sie warum die Wahl des Preises nun auf dieses Video gefallen ist und nicht auf ein anderes. So weit ich weiß, werden diese Videos mit recht ausführlichen Vorüberlegungen eingeschickt. Vielleicht hilft es Ihnen in Verständiss, Liebe und Verkündigung des Evangeliums weiter.

    Es würde mich freuen und meine kirchendistanzierten Freunde sicher auch.

    Lieben Gruß

    Tobias Kaiser

    1. Maren Preisinger says:

      Jetzt muss ich mich in diese heiße Diskussion doch mal einmischen, vor allem weil ich gelernt habe, dass man Hate Speech nicht stehen lassen darf. Ich würde es noch nicht ganz als Hate Speech bezeichnen (weder den Artikel noch den Kommentar) doch den Kommentar finde ich definitiv *wie nennt man sowas* grenzwertig.
      Während der Autor des Artikels sehr aufregt und wütend ist (was meiner Meinung auch sein darf), setzt er sich doch gekonnt und konstruktiv mit dem Video und dem Sachverhalt auseinander.
      Sehr im Gegensatz zu ihrer Bemerkung „Mehr Mühe Ihren wütend dahingekotzen Beitrag zu kommentieren mache ich mir nicht.
      Hand aufs Herz und ohne lügen: Das haben sie bei der Erstellung des Gleichen ja auch nicht.“ Denn wenn sie literarisch oder journalistisch etwas gebildet sind (oder wenn sie Abi gemacht haben und in der Schule mal eine Erörterung schreiben mussten), wird ihnen sehr schnell auffallen, dass der Autor brav Pro und Contra – Argumente gegenüberstellt, seine Kriterien der Bewertung darlegt, sauber recherchiert hat etc. Das ganze emotional, was sie wohl getroffen haben muss, aber er spricht entweder von sich (mir ist das peinlich) oder begründet seine Kritik (Bedeutungslosigkeit wegen unkommentiert).

      Dagegen habe ich bei Ihnen, Herr Kaiser, den Eindruck, dass sie mit pointierter Kritik nicht besonders gut umgehen können. Zwar versuchen sie dies am Anfang mit mancher Erklärung zum Video (wobei ich bei den O-Tönen sehr daran zweifle, ob diese tatsächlich so in O waren und dann auch noch von Kirchendistanzierten. Wenn dem wirklich so ist, dann müssen es meiner Einschätzung nach sehr kulturliebende und gut gebildete Menschen sein, die so etwas beobachten und diese Schlüsse ziehen können. Oder sie sind eben doch nicht besonders kirchendistanziert oder haben zumindest eine Grundbildung in irgendeiner Form erhalten (Dann kommen sie vermutlich nicht aus dem Osten). Wie dem auch sei, für mich etwas zweifelhafte O-Töne.
      Außerdem gehen sie nicht auf den springenden Punkt ein, was ihren Beitrag trotz Erklärung jetzt nicht besonders qualifiziert. Wenn sie den springenden Punkt ihrer Erklärung hinzufügen würden, könnte daraus eine vielleicht emotional aufgeladene, aber sachliche und konstruktive Diskussion entstehen. Die Frage ist nicht, ob es ein tolles künstlerisches Video mit christlichem Background, Hintergrund, Note etc ist, sondern der springende Punkt ist die Frage, wodurch sich dieses Video (das sich bestimmt für eine tolle Andacht nutzen lassen kann) sich als Gottesdienst qualifiziert? Und damit können wir die Frage diskutieren: was macht einen Gottesdienst aus? Wie grenzt er sich von anderen Formaten (Andacht etc) ab? Muss er das überhaupt? Kann mir alles zum Gottesdienst werden? (Ein Lied im Radio, ein Video im Netz, eine Begegnung mit meinem Nachbarn…?)

  3. Evelyn Werner says:

    Also, erst einmal war ich begeistert, denn mit jeder Radumdrehung wurde die Neugier gesteigert: Was kommt denn da? Nett auch, dass das Spielezug aufgehoben wurde und die Zeit auf die volle Uhrzeit loslief.
    Dann kam der Bruch, das Klischee: Orgelspiel mit einer sehr traditionellen Melodie.
    Dann wurde es für mich dramatisch: Der arme Junge ist ganz allein in der Kirche, muss sich sogar die Kerze anzünden. Auf die Idee, dass es die Osterkerze sein könnte, würde ich an der Stelle nicht kommen.
    Ich finde die Idee zu progressiven Gottesdiensten gut, denn nur so kann Kirche auf Dauer Bedeutung behalten, aber ……
    Wenn ich erst einen Dolmetscher benötige, um den Sinn der Halfpipe in der Kirche zu verstehen?
    Wenn ich gar nicht erkenne, dass es sich nicht um eine sportliche Übung am falschen Ort handelt?
    Wenn jegliche Verbindung zum Raum Kirche fehlt, dann sind für mich Grenzen überschritten. Dann frage ich mich, was soll ich davon mitnehmen? Dann frage ich mich, zu WAS soll da begeistert werden?
    Kirche braucht dringend Veränderung. Kirche duckt sich für mich gerade jetzt weg. Kirche ist nicht eine Video-Predigt. Kirche ist mehr – könnte mehr sein, jedoch nicht bei geschlossenen Kirchen. Kirche muss nicht der Kirchenraum sein, kann aber – gerade jetzt. Und das ist keine Altersfrage.
    Wenn jedoch gerade die Sinnlichkeit von Kirche verloren geht, dann sind nur Videos genauso falsch wie eine Halfpipe in der Kirche, denn das hat mit Sinnlichkeit nichts zu tun.
    Also finde ich grundsätzlich so einen Wettbewerb nicht falsch, könnte er doch Ideen fördern – auch grenzwertige. Aber das Ziel, junge, nicht an Kirche interessierte Menschen einfangen zu wollen, kann gut sein, wenn es keine Mogelpackung ist. Das aber ist dieses Video, denn es weckt für mich falsche Erwartungen.
    Ich bin auch gern bereit, diese Meinung der Jury dieses Wettbewerbs direkt mitzuteilen!
    Evelyn Werner

    1. Johannes Ahrens says:

      Moin Frau Werner, danke für Ihre Gedanken. Das Ziel des Videos war es jedoch nicht, „junge, nicht an Kirche interessierte Menschen einfangen zu wollen.“ Ostern 2020 mussten alle Kirchen schließen, und wir wollten trotzdem einfach nur Auferstehung visualisieren und die Osterfreude mit anderen teilen. Mehr nicht. Und auch nicht weniger. Freundliche Grüße aus dem hohen Norden, Johannes Ahrens (Stadtpastor Flensburg)

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