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Der Gottesdienst der Zukunft

Wie könnte der Gottesdienst in Zukunft aussehen? Ich habe da eine Idee: Gottesdienste werden wie Theaterstücke. Musicals. Oder Opern. / Hier kommt meine Vision von einem völlig neuen Gottesdienst-Modell.

Nein, ich fange nicht an mit: „Es kommen immer weniger Menschen zu unseren Gottesdiensten“. Denn das ist nicht mein Ausgangspunkt und ich bin auf die folgende Idee nicht gekommen, weil ich überlegt habe, wie wir wieder mehr Leute in den Gottesdienst bekommen. Trotzdem glaube ich, dass durch mein neues Gottesdienst-Modell am Ende mehr Menschen in unseren Gottesdiensten sein werden. Aber jetzt erstmal das Modell an sich.

Ein Gottesdienst wie ein Theaterstück

Meine Vision ist: wir verstehen in Zukunft unsere Gottesdienste wie ein Theaterstück. Oder wie ein Musical. Oder eine Oper. Damit meine ich: aktuell haben wir für unseren klassischen Gottesdienst ein ziemlich starres Gerüst (ja es ist starr. Punkt). Wir wechseln an jedem Sonntag die Lieder ab und bereiten für jeden Sonntag eine Predigt vor. Yeeha!

Das führt dazu, dass unsere potentiellen Gäste einerseits relativ genau wissen, was sie erwartet und andererseits überhaupt nicht wissen, was sie erwartet. Der Gottesdienst kann richtig gut sein. Oder todeslangweilig. Die Predigt kann die beste des Jahres sein. Oder mittelmäßig. Oder grottig. Der Punkt ist: wir bereiten an jedem Ort für jeden Sonntag vieles neu vor (also viel Arbeit) und zugleich machen wir an jedem Ort an jedem Ort so ziemlich das Gleiche.

Das ist aus meiner Sicht eine klassische lose-lose-Situation. Wir kombinieren ärgerlicherweise nur Schlechtes miteinander. Wer z.B. viel Aufwand in die Predigt steckt, muss in der nächsten Woche wieder viel Aufwand in die Predigt stecken. Und viel schlimmer: Die Leute kommen erstmal unabhängig davon, ob ich meine Predigt intensiv vorbereitet habe, ob sie gut oder schlecht ist. Denn sie wissen ja nicht was sie erwartet (inhaltlich).

Wer ins Theater geht, guckt vorher ins Programm

Mal im Ernst: Wie häufig gehst du in ein Theater, ein Musical, eine Oper oder dergleichen – ohne dass du ansatzweise weißt, was dich inhaltlich erwartet? Wie viele Leute gehen in ein Musical, ohne vorher etwas darüber gelesen zu haben?

Also wenn ich ins Theater gehe, dann schaue ich vorher ins Programm vom Theater. Und dann habe ich ein paar Stücke für die folgenden Monate zur Auswahl und dann überlege ich, wann ich kann und welches Stück mir von der Beschreibung her gefällt. Oder ich gehe in das Stück, das mir empfohlen wurde.

Und ich glaube, dass wir unsere Gottesdienste genauso gestalten und vorbereiten sollten. Anstatt jeden Sonntag einerseits immer das Gleiche und andererseits immer was Anderes anzubieten, bieten wir für eine gewisse Zeit eine gewisse Auswahl an „Gottesdienst-Stücken“ an.

Der Gottesdienst wird zu einem Erlebnis

Theater spielen ihre Stücke auch eine Zeit lang. Warum nicht wir auch unsere Gottesdienste?

Der Vorteil? Wir bereiten weniger vor, aber das dafür so richtig gut. Und zwar den Gottesdienst und die Predigt. Die Musik. Den Ablauf. Die Begrüßung und das Catering drumherum. Ja, unsere Gottesdienste werden so zu einem Erlebnis. Einem Happening.

So wie es eben auch für Theater, Oper oder Musical gilt. Und das heißt: es gibt bei uns dann vielleicht in einem Quartal oder einer Spielzeit drei oder vier „Stücke“ zu sehen. Diese Stücke haben klare Themen. Einen Titel. Sie werden hinterher rezensiert. Man kann für sie werbewirksam medial auftreten.

Es gibt nicht mehr einen auf eine Art immer gleichen Gottesdienst. Jedes Stück kann völlig unterschiedlich sein. Ja, vielleicht feiert ihr dann ein Stück, wo es ganz viel um Musik geht. Eher ein Musical. Vielleicht gibt es ein anderes Stück, wo ganz viel kreativ miteinander gebastelt wird. Und ein anderes Stück, wo man gemeinsam isst. Die Gedanken sind frei 😉

Nein, es geht nicht darum, dass wir überall professionelle „Shows“ auf die Beine stellen (aber auch das ist natürlich denkbar). Es geht darum, dass wir mit genug Zeit und Liebe gute Formate auf die Beine stellen. Ja, es gibt noch Menschen, die wirklich 3-4 Mal im Monat in den Gottesdienst kommen. Aber ganz ehrlich: wie viele sind das noch? Und glaubst du ernsthaft, dass das unsere Zukunft ist?

Eine falsche Erwartungshaltung

Ich bin Pastor. Ich feiere echt gerne Gottesdienst. Aber ich würde niemals privat jede Woche in den Gottesdienst gehen.

Ja, manche Leute gehen jede Woche zum HSV. Oder ins Kino oder ins Theater. Aber die allermeisten Menschen eben nicht. Und das gilt in zunehmenden Maße auch für den Gottesdienst. Was tun wir dagegen? Aktuell herzlich wenig. Daher meine Vision: Lasst uns doch mal was wagen. Und damit meine ich nicht, dass wir den Gottesdienst ganz mutig um 11 Uhr oder 17 Uhr feiern. (uiuiui). Das sollten wir sowieso. Ich meine: lasst uns doch mal ganz grundsätzlich darüber nachdenken wie wir Gottesdienst feiern. Nach welchem Prinzip.

Mein Vorschlag: Lasst uns Gottesdienste wie Theaterstücke verstehen. Oder eben wie ein Musical oder eine Oper. Und lasst uns geile Gottesdienst-Stücke kreieren. Und was gut läuft, das geht in die Verlängerung. Und hin und wieder wird es ein „König der Löwen“ geben – das läuft dann 10 Jahre in Folge. Und es wird auch Stücke geben, die nicht so gut ankommen. Manche Stücke werden höchstanspruchsvoll und theologisch, andere vielleicht eher einfach und unterhaltend. So wie auch die Theaterlandschaft eben sehr verschieden ist.

Wenn die Kirche wie ein Theater wird

Die große Frage ist, was das mit den Gemeinden macht. Meine Vorstellung ist, dass jede Gemeinde wie ein eigenes kleines Theater zu verstehen ist. Jede Gemeinde bietet sein Programm an und versucht damit möglichst viele Menschen anzusprechen. Und das bedeutet auch Profilierung. So wie Theater sich auch profilieren, so wir auch als Kirche. Aber innerhalb unseres Profils gibt es trotzdem verschiedene Stücke. Mir gefällt nicht alles was am „Deutschen Schauspielhaus“ in Hamburg läuft. Aber tendenziell mag ich die Stücke. So wird es auch bei Kirche und Gemeinden sein. Die Kirchen bekommen Profil und die Menschen gehen dahin, wohin sie gerne gehen.

In der Innenstadt werden größere Gottesdienst-Stücke sein und weiter draußen kleinere oder einfachere. So wie eben auch beim Theater. Und anstatt Gelder nach Gebieten zu verteilen, bekommt jedes Theater je nach Besucherzahlen/Größe ein gewisses Budget.

Aber nein: ich würde keinen Eintritt für die Gottesdienste nehmen 😉

Die Vision in einer mittelgroßen Nußschale

Also: meine Vision vom Gottesdienst der Zukunft? Wir verstehen Gottesdienste wie ein Theaterstück. Und wir bieten für eine Spielzeit (oder dergleichen) eine bestimmte Anzahl an Gottesdienst-Stücken an. Diese werden wiederholt und laufen regelmäßig. Das bedeutet: es gibt nicht weniger Gottesdienste. Aber es gibt pro Spielzeit nur eine bestimmte Auswahl je Gemeinde.

Ist das schlimm? Ich weiß nicht… ist das schlimm, dass im Schauspielhaus in Hamburg nicht jeden Tag andere Stücke laufen? Ich finde: nein. Denn es gibt noch genügend andere Theater, die ich auch besuchen kann. Und anstatt dass überall auf eine Art das Gleiche läuft, habe ich jetzt die Auswahl an gut vorbereiteten, inhaltlich richtig gut abgestimmten und profilierten Gottesdiensten.

Meine These ist: das spricht deutlich mehr Menschen an. Diese These beruht auf dem Gedankenspiel, wie es wäre, wenn in jedem Theater einfach nur stehen würde „Theaterstück – Samstag 20 Uhr“. Und ich wüsste, dass bei jedem Theaterstück ein ziemlich ähnlicher Ablauf stattfindet, aber der Monolog in der Mitte und die Dialoge wären jede Woche etwas anders. Würde ich da hingehen? Selten. Aber was bringt mich ins Theater? Ein Stück, das mich interessiert. Das mir empfohlen wurde. Wovon ich schon gelesen habe. Wo mein Lieblings-Schauspieler dabei ist oder was von einem Autor ist, den ich bislang immer gut fand.

Und am Ende? Brummt der Laden!

Deshalb: ja, am Ende glaube ich sehr wohl, dass dieses völlig neue Gottesdienst-Modell auch dazu führt, dass der Laden wieder brummt. Zugegebenermaßen aber vermutlich auch nicht jeden Sonntag um 10 Uhr.

So, genug an Träumen für den heutigen Tag.

Wer wäre mit dabei das auszuprobieren? Oder was hast du an Vorbehalten und Kritik? Ich freue mich über eure Meinungen – und wie immer natürlich über´s Teilen!

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2 Comments

  1. Renate Fallbrüg says:

    Lieber Herr Göbel,
    wunderschöne Gedanken, die Sie formulieren. Sie treffen bei mir auf Nachrichten von Unternehmerinnen und Unternehmern, sowie Arbeitnehmervertreterinnen und -vertretern, die in den Zeiten der Krise um ihre Existenz, ihr Geschäft, ihren Arbeitsplatz bangen. Denn für zahlreiche Unternehmen bedeutet Corona 80-100 % Umsatzverlust. Daher würde ich das Träumen von einer Kirche von morgen gern verschieben und stattdessen eine Kirche nah bei den Sorgen der Menschen präferieren. Mit Blick auf Ostern Hoffnung in der Welt halten, bei denen, die sich gerade mit Finanzämtern, Kurzarbeitergeld usw plagen
    Gottes Segen und mit herzlichem Gruß Renate Fallbrüg

  2. Bleib gerne Anonym says:

    So was gibt es schon. Der Jazz Gottesdienst.

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