Lesen

Wir predigen einfach zu schlecht!

Gute Predigten begeistern mich. Motivieren mich. Ja, gute Predigten haben mein Leben verändert. Aber was mir auffällt: Kaum eine davon wurde auf deutsch und in einer unserer Landeskirchen gehalten. Tatsächlich erlebe ich dort meistens genau das Gegenteil. Predigten, die mein tiefstes Verständnis für all die Menschen fördern, die nicht (mehr) in unsere Gottesdienste kommen. Was läuft da falsch bei uns und warum predigen wir so schlecht?

Eigentlich müsste ich jetzt eine Predigt schreiben. Ich sitze an dieser Predigt – ungelogen – schon seit Wochen. Aber ich komme einfach auf keinen der Äste, von denen man sagt, dass sie grün seien und irgendwie gut wären. Vor lauter Frust habe ich angefangen mir etliche Predigten zu meinem Bibeltext zu ergooglen. Mit dem Ergebnis, dass ich mir alle paar Minuten die Haare raufen muss. Und ja, meine Frisur ist jetzt im Eimer. 

Wir predigen – keinen Inhalt.

Was mir bei dieser Recherche mal wieder mehr als deutlich geworden ist: Auf unseren Kanzeln wird einfach zu häufig zu schlecht gepredigt. Damit meine ich jetzt noch nicht, dass es sprachlich gerne völlig abgehoben und unverständlich ist. Ich meine nicht, dass gerne abgelesen wird und gekonnte Rhetorik oder freies Reden Mangelware sind.

Ich meine, dass es einfach belangloses Blabla ist. In den letzten Stunden habe ich etliche, wirklich etliche Predigten zu meinem Predigttext gelesen. Nicht eine einzige hat mich auch nur ansatzweise angesprochen. Ich habe nichts gefunden, was mir den Bibeltext wirklich „geöffnet“ hat. Ich habe nichts gefunden, was mir deutlich gemacht hat, was das alles mit mir zu tun hat. Und wir wundern uns über leerere Kirchen…

Was ich dagegen gefunden habe, sind eine Menge Nacherzählungen. Spekulative Deutungen. Abdriften in irgendwelche anderen Themen, die deutlich leichter zu erklären sind als dieser Predigttext.

Wir predigen – alles Mögliche.

Spannend ist auch: Ich habe fast keine „gleiche“ Predigt gefunden. Irgendwie hat jeder Pastor, jede Pastorin, über irgendwas anderes gepredigt. Erreicht hat mich davon nichts. Getroffen hat mich nichts. Und – nachdem ich selber nun wirklich schon sehr viel Zeit in diesen Bibeltext gesteckt habe – meistens hatte ich das Gefühl, dass der Pastor/die Pastorin in die Vorbereitung eher den Samstagnachmittag von 15-17 Uhr gesteckt hat, als eine angemessene Menge an Zeit.

Wozu das geführt hat? Gefühlt zu einer völligen Willkürlichkeit. Da wurde nicht über den Text gepredigt, sondern über das, was einem eben gerade wichtig war. Was einem durch den Kopf ging. Am Samstag zwischen 15 und 17 Uhr.

Wir predigen – warum nochmal so?

Jetzt stehe ich aber natürlich vor einem Problem. Naja, vor mehreren. Erstens maße ich mir an, all diese Predigten als schlecht zu befinden. Sicherlich wird es Menschen geben, die diese Predigten toll fanden. Wieso maße ich es mir trotzdem an? Weil sie MICH nicht ansprechen. Und das dauernd und überall. Und: Weil ich andere Predigten kenne. Ich weiß, dass es anders geht. Ich erlebe Predigten, die mir „direkt ins Herz“ gehen. Es gibt Predigten, da kann ich dir heute noch die drei wichtigsten Punkte nennen.

Spannenderweise sind diese „guten“ Predigten mir fast nie in der Landeskirche und fast nie auf deutsch begegnet. Das führt durchaus zum folgenden Punkt:

Das nächste Problem ist ja, dass ich unterschwellig in diesem Beitrag mitlaufen lasse, ich wüsste, warum die Predigten so schlecht sind. Das stimmt natürlich nicht. Ich kann nur vermuten und unterstellen. Aber… das mache ich gerne. Daher unterstelle ich folgende Gründe der mangelnden Predigtqualität:

  1. Schlechte Ausbildung
    Im Theologiestudium von sechs Jahren musste ich eine Predigt schreiben. Eine. (Ich hatte das Glück viel nebenher predigen zu dürfen. Aber das Studium sah für mich nur eine Predigt vor…) Ich kenne Theologiestudierende, die es mit weniger geschafft haben. Klar, jetzt kommt noch das Vikariat und da werden wir es lernen. Ich bin gespannt. Bis zum heutigen Tage sehe ich da aber durchaus Potential in der Ausbildung.
  2. Schlechte Vorbereitung
    Eigentlich können wir Pastoren nur eins: Theologie betreiben. Das haben wir ja schließlich gelernt. Also… theoretisch. Praktisch meine ich zu beobachten, dass Pastoren für vieles Zeit haben, aber die Predigt eher zu kurz als zu lang in der Vorbereitung kommt.
  3. Nichts zu sagen haben
    Das mag jetzt besonders hart klingen, aber ich glaube das trifft es auf den Punkt: Wenn man selber gar nicht weiß, was man sagen will, dann kann am Ende auch nichts Gutes bei rumkommen. Soll heißen: Wenn ich selber von der Botschaft nicht überzeugt bin, wenn ich selber nicht verstanden habe, was der Text mir persönlich zu sagen hat, dann wird sich das in meiner Predigt zeigen.
    Was macht man als Pastor/Pastorin dann? Genau, man flüchtet in Theologie. Hält eine Vortrag über irgendwelche wissenschaftlichen Erkenntnisse, reichert es mit ein paar Zitaten von berühmten Menschen an und schwups hat man ein paar Seiten Text, die durchaus wichtig klingen, in denen was steht, aber die eben nichts beinhalten, was irgendwie als relevanter, bedeutsamer Inhalt für mein oder dein Leben durchgehen.

Ich predige – und jetzt?!

Und nun mache ich alles besser? Schön wärs. Genau das ist ja aktuell mein größtes Problem. Ich ringe und kämpfe mit diesem Text seit Wochen. Ich habe mir schon etliche ganze Tage Zeit genommen. Noch ist der Knoten nicht geplatzt. Noch warte ich auf die Erkenntnis, die Eingebung.

Ich habe schon gefühlt alle Kommentare zu der Bibelstelle gelesen, gefühlt meinen halben Freundeskreis und halben Theologenkreis die Stelle lesen lassen. Predigt-Googlei hat auch nicht weitergeführt. Also werde ich weiterringen. Warum?

Weil ich dich mit gutem Grund zu meiner Einführungspredigt am 09.04.17 in der Osterkirche in Bramfeld einladen möchte. Ich selber sitze zu häufig in Gottesdiensten und fühle mich meiner Lebenszeit beraubt. An diesem sonntäglichen Raub möchte ich nicht teilnehmen. Ich möchte da stehen, weil ich der Überzeugung bin, dass es sich für dich lohnt heute da zu sein. Nicht, weil ich da bin. Nicht, weil man am Sonntag eben in die Kirche geht.

Sondern weil ich in dem Predigttext etwas gefunden habe, was dich und mich betrifft. Etwas, das über historische Darstellung und erklärende Hinweise zur Kultur der Juden zur Zeit von Jesus hinausgeht. Ich bin gespannt. Das Ergebnis kannst du dir im besten Fall in rund einer Woche anhören 😉

Zum Schluss – zwei Fragen

Übrigens – zwei Fragen zum Schluss.

Wenn du Lieblingspredigten hast und diese im Internet irgendwie verfügbar sind. Schicke sie mir gerne zu!

Und: Wenn du dir selber an meinem Predigttext die Zähne ausbeißen willst, dann schnapp dir die nächste Bibel und suche nach dem Markus-Evangelium, das 14. Kapitel und da die Verse 3-9.

 

 

Du möchtest keinen Beitrag auf juhopma.de verpassen?
Dann schnell zum Newsletter anmelden!

Vielleicht gefällt dir auch...

Popular Articles...

6 Comments

  1. Marike says:

    Hey Jonas!

    Ich höre mir gerne die Predigten vom cvjm-emotion in Essen (besonders schön sind die von Christina B )http://www.cvjm-emotion.de/podcast-2/
    und vom Berlinprojekt an (Christian Nowatzki und Kosta v. Abendroth) http://www.berlinprojekt.com/predigten

    1. Schließe mich an: Berlin-Projekt hat wirklich sehr geniale Predigten. Alle gefallen mir, sprechen mich an und gehen dahin wo sie hinsollen – ins Herz ( und in die Birne) – bei Alkohol ist es ja andersrum…. das war nur ein Witz und kam mir gerade, darf man äh frau, das hier schreiben… 🙂 ???!

  2. Ansgar says:

    Jonas, ich habe mich auch eine ganze Zeit gewundert, was es an Predigten die ich in Amerika gehört hatte war, was mich so viel mehr ansprach als die Predigten die ich gemeinhin auf Deutsch höre. Es hat eine ganze Weile gedauert bis mir ein Muster auffiel: Ihn den deutschen Predigten kommt ganz selten das Wort ‚ich‘ vor. Und ohne Protagonist ist eine Story halt nicht packend. Die oder der da vorne spricht über unseren Glauben, die Kirche und über Sachen die ‚man‘ sagt, tut oder tun sollte. Nicht ihren Glauben, seine Kirche und über Sachen die er oder sie sagt, tut oder tun sollte. Und was da so allgemein bleibt, plätschert dann halt so am Gottesdienstbesucher (schreckliches Wort) vorbei. Bis sie dann abgelesen wird klingen die Worte der Predigt dann auch meist weichgespült, widerspruchsfrei und glatt geschliffen…und provozieren damit auch keine Betroffenheit und Auseinandersetzung mit dem Inhalt.

    Beispiele dafür, wie es auch auf Deutsch anders geht sind oft die mutigen und persönlichen Predigten in der Andreasgemeinde in Niederhöchststadt. Der Podcast dazu heißt ‚Aus heiterem Himmel: ..‘ Ganz besonders sprechen mich die Predigten von Jakob Friedrichs und Karsten Böhme an. Aber gerade in der Heterogenität der Stile und Herangehensweisen im Predigtteam dort sehe ich eine große Stärke und höre auch die anderen immer wieder gerne und mit Interesse.

  3. Simone Schmidt says:

    Lieber Jonas, mir gefallen die Predigen von Alexander Garth junge Kirche Berlin / schlosskirche Wittenberg, alexandergarth.de.; und von the Vine Church Hong Kong.

  4. Axel Behl says:

    … aber Hallo … Du machst ja hier mal richtig „Alarm“ … nicht übel … find‘ ich prima … meint ein Prädikant der EKiR

  5. Hanno says:

    Wilhelm Busch, Hans Peter Royer, Heinz Spindler, Wolfgang Bühne, Wilhelm Pahls, Theo Lehmann und viele mehr bei Sermon Online de,
    oder DWG

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert