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Unser Problem ist der Gottesdienst!

Ich wünsche mir eine Kirche, die nicht nur ein paar bestimmte Milieus an Menschen erreicht. Ich wünsche mir aber auch eine Kirche der Einheit. Doch meistens scheitern wir an beidem. Dabei gäbe es durchaus eine Chance auf Einheit und milieu-sensible Kirche. Aber dafür müssen wir verstehen, dass der Gottesdienst unser Problem – und Essen die Lösung ist. #grundpfeiler1 #einfachkirche #jetztgehteslos

Ich habe schon viele Gemeinden und etliche Gottesdienste erlebt. In Deutschland und der Welt. In Städten und auf Dörfern. In Freikirchen und Landeskirchen. Ultra-traditionelle Gottesdienste und super-moderne. Ich habe mit einer Handvoll und mit zehntausenden Menschen Gottesdienst gefeiert.

Ich behaupte, dass ich wirklich schon vieles gesehen habe. Manches hat mich angesprochen, anderes nicht. Einiges hat mich beeindruckt, vieles abgestoßen. Aber eine Sache fehlte quasi überall. Eine Sache, habe ich überall vermisst. Einheit. Wirkliche Einheit.

Mit Einheit meine ich milieu-übergreifende Arbeit. Was Milieus sind und warum ich die Beschäftigung mit diesen wichtig finde, habe ich ja schon beschrieben. Ich meine mit Einheit, dass in einer christlichen Gemeinde „alle“ Menschen zusammenkommen und nicht nur die, die sich eh leiden können. Jede Gemeinde, die ich bislang besucht habe, hatte ihren Haken hier. Bei der Einheit. Der fehlenden Einheit.

Wir sind eine milieu-verengte Kirche

Bestimmte Menschen feiern gerne traditionell und singen anscheinend gerne zur Orgel. Andere Menschen singen gerne zu Schlagzeug und Bass. Manche suchen ganz ruhige, zurückhaltende Gottesdienste. Andere finden in Gottesdienst-Megaveranstaltungen mit großem Event-Charakter ihren Zugang zur Kirche.

Aus den Milieu-Studien kann man erkennen, dass unsere Gesellschaft deutlich unterschiedlicher ist, als sie es früher war. Konnte man früher z.B. grob mit drei Schichten die Gesellschaft ganz gut darstellen, so ist es heute viel komplexer.

Für Kirche ist das spannend, denn wir erkennen, dass wir unglaublich milieu-verengte Kirche machen. In unsere Gottesdienste kommen fast immer nur ganz bestimmte Milieus.

Das gilt für 10-Uhr-Gottesdienste im traditionellen Gewand genauso wie für Lobpreis-Gottesdienste mit Band am Freitagabend. Es gilt auch für die sog. „frischen Ausdrucksformen von Kirche“ (fresh expressions of church) – auch wenn ich diese an sich sehr schätze!

Das Problem: Der Gottesdienst

Woran das liegt? Am Gottesdienst.

Warum wir als Kirche daran scheitern, wirkliche „Einheit“ zu sein? Am Gottesdienst.

In dem Moment, in dem wir einen Gottesdienst gestalten, feiern, die Musik festlegen, die Uhrzeit, den Ort und den Ablauf uns überlegen – da wird er milieu-verengend. Es gibt keinen Gottesdienst, der „alle“ Milieus erreicht.

Zwei Ansätze

Du fragst dich, wo das Problem ist? Man muss hier kein Problem sehen und es gibt daher zwei ganz unterschiedliche Ansätze innerhalb der Kirche mit diesem „Befund“ umzugehen.

Ansatz 1: Es ist uns egal.
Entweder sind zu viele von uns Pastoren und Kirchenleuten unwissend, oder blind – oder es ist ihnen einfach egal. Und ich habe die Befürchtung, dass es sehr häufig letzteres ist. Wir wissen zwar (bzw. wenn wir uns einmal kurz informieren, dann wissen wir es), dass unsere Gottesdienste nur sehr, sehr wenige Milieus (und damit Menschen) ansprechen – wir machen aber trotzdem weiter wie bisher. Und denken uns vielleicht, dass die Leute sich anpassen sollen. Dass sie schon kommen, wenn es sie wirklich interessieren würde. Oder dergleichen. Also: Ansatz 1: Wir sehen (vermutlich), dass wir super milieu-verengt sind. Aber wir tun trotzdem nichts.

Ansatz 2: Wir machen milieu-sensible Kirche
Hier wird gesehen, dass wir milieu-verengte Kirche sind – und es wird gehandelt! Ich finde diesen Ansatz wichtig und richtig! Denn er bedeutet, dass wir versuchen mit unseren Angeboten und Gottesdiensten auch die Milieus (und damit Menschen) zu erreichen, die wir mit unseren bisherigen, klassischen Angeboten nicht erreichen.

Die Einheit fehlt!

Es gibt nur einen Haken: Am Ende des Tages haben wir eine Kirche, die zwar – im besten Fall – ganz viele Milieus erreicht. Allein: Diese Menschen können gar nicht gemeinsam Kirche „sein“. Wenn sie sich besuchten, dann würden sie das im besten Fall aus Interesse tun, aber nicht, weil ihnen das zusagt, was die anderen da machen. Es findet keine wirkliche Einheit innerhalb der Kirche statt.

Diese Nicht-Einheit gibt es ja im Großen (z.B. katholische und protestantische Kirche), aber eben auch im Kleinen bei uns innerhalb der protestantischen Kirche.

Gut, wir könnten sagen: Die Einheit ist der Inhalt. Also… vielleicht der Glaube an den Gott der Bibel. Irgendwas mit Jesus. Dann würden wir sagen: Es ist nicht wichtig, dass wir uns eigentlich nicht verstehen, nicht so ganz leiden können – solange wir im Namen des gleichen Gottes Gottesdienst feiern.

Das klingt ja auch erstmal nicht schlecht. Ich glaube aber, dass es noch besser geht.

Der Grundpfeiler #1 der einfachkirche

Und das, das ist der Grundpfeiler #1 von einfachkirche. Und gleichzeitig Ansatz 3. Wobei Ansatz 3 eigentlich nur eine Sonderform von Ansatz 2 ist.

Ansatz 3: Milieugrenzen am Tisch überwinden!
Wenn ich in der Bibel von Jesus lese, dann scheint mir, dass er alle Leute an einen Tisch bekommen hat. Wenn ich in der Bibel von Jesus lese, dann scheint mir, dass er von einer „einheitlichen“ Kirche gesprochen hat. Keiner, die sich in etliche Richtungen zerfleddert und nicht einmal zusammen Gottesdienst feiern kann.

Deshalb habe ich mich lange gefragt: Wie hat Jesus alle an einen Tisch bekommen? Wie hat er sich das gedacht? Bis das so offensichtliche mit einfiel: Er hat sie an einem Tisch zusammen bekommen.

Ich glaube, dass Tischgemeinschaft der Punkt sein kann, der Milieugrenzen innerhalb von Kirche überwindet. Tischgemeinschaft klingt nach Essen. Und das meine ich auch so. Richtig essen. Aber Tischgemeinschaft ist im christlichen Sinne mehr. Denn dazu gehört auch das Abendmahl.

Jesus, der „Fresser und Säufer“ hat anscheinend unglaublich oft mit allen möglichen Leuten am Tisch gesessen und gegessen. Und er hat in einer solchen Runde das sog. Abendmahl eingesetzt. Alle christlichen Kirchen feiern das Abendmahl. Wohlgemerkt auf unterschiedliche Weise, aber sie feiern es.

Im Mittelpunkt steht ein gemeinsames Essen

Daher: Der Mittelpunkt von einfachkirche ist kein Gottesdienst. Sondern ein gemeinsames Essen, das in ein Abendmahl übergeht.

Gottesdienst feiern, das geht (dauerhaft) nur innerhalb der Milieugrenzen. Ich mag nun mal keine Orgel. Andere mögen nun mal keine Band. Wir werden nicht zusammenfinden. Ich singe nun mal nicht so gerne Lieder mit einer Sprache von vor ein paar hundert Jahren. Andere schon. Wir werden an dem Punkt nicht zusammenfinden.

Aber wir können uns zusammensetzen und essen. Und das Abendmahl gemeinsam feiern (und ja, ich werde noch erklären, wieso das Abendmahl meiner Meinung nach gerade etwas ist, was uns zusammenführt und nicht trennt!).

Wir können – schmatzend und kauend – eine Einheit sein. Verbunden sein. Zusammen lachen, zusammen essen. Sich kennenlernen. Reden. Erzählen. Und am Ende feiern wir zusammen das Abendmahl. Und danach? Danach gehen wir auseinander und feiern Gottesdienst in der Form, die für uns richtig ist. In der wir uns wohlfühlen.

Das Markenzeichen von Jesus

Weißt du, was ich spannend finde? Nachdem Jesus auferstanden ist, da geht er mit Leuten, die ihn eigentlich kennen zusammen ein Stück des Weges. Stundenlang vermutlich sogar. Sie erkennen ihn nicht. Erst als sie am Abend zusammensitzen und essen, da erkennen sie ihn.

Gemeinsames Essen – das war das Markenzeichen von Jesus. Daran hat man ihn erkannt.

Und ich glaube, dass in diesem gemeinsamen Essen, die Chance für die Einheit unserer Kirche liegt.

Markenzeichen: Essen. Gemeinsames Essen.

Das ist der erste Grundpfeiler der einfachkirche. Einer milieu-übergreifenden Kirche der Einheit. Einer Kirche, die je Milieu sehr unterschiedliche Angebote machen kann und trotzdem zum gemeinsamen Essen und Abendmahl eine Einheit ist.

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6 Comments

  1. Susanne says:

    Ich glaub, aus der Frage mit den Milieus kommt man auch durch die Idee mit dem „einfach essen“ nicht heraus. Denn wo wird heute noch „einfach“ gegessen – und vor allem: was wird dann gegessen? Denn darin unterscheiden sich die Leute genauso: ob sie Junk-Foot mögen – oder eine Diät machen, bei der sie kein Brot mehr essen, weil es Kohlehydrate enthält.
    Und ich mag einfach unglaublich gerne Gottesdienste. Mein Zauberwort dabei ist: Toleranz. Ich kann im Gottesdienst Musik nicht nur „ertragen“, sondern auch mit Interesse anhören, die ich sonst nicht hören würde. Ich kann der Jugendband lauschen, die sich häufig verspielt – oder dem Chor, der nicht aus Profis besteht. Ganz einfach, weil ich es mag, wenn Leute mit Begeisterung bei der Sache sind.

    1. juhopma says:

      In der Tat habe ich auch schon darüber nachgedacht, inwiefern wir uns beim Essen nicht genauso unterscheiden… und da ist auf jeden Fall etwas dran! Aber ich denke, dass man gemeinsam deutlich einfacher differenziert essen kann, als man gemeinsam differenziert Gottesdienst feiern kann. Ich kann ein Essen machen und die Wurst daneben stellen, so dass nur die sich die Wurst in die Suppe tun, die das mögen. Damit haben am Ende alle Beteiligten zu 100% das Essen was sie mögen. Im Gottesdienst ist es mit der Musik z.B. anders. Wenn ich halb Orgel, halb Band-Musik spiele, dann haben am Ende alle Beteiligten nur 50% der Musik, die sie mögen.
      Ergo: Ich denke, dass beim Essen alle gemeinsam dabei sein können und trotzdem ganz das „Ihre“ haben können 🙂

  2. Angela says:

    In unserer Gemeinde gab es gestern Abend einen lebhaften Austausch und u.a. eine Menge Kritik am üblichen „klassischen“ Gottesdienst. Erstaunlicherweise – oder vielleicht ja auch nicht ? – in einer Gruppe von hochverbundenen älteren Gemeindemitgliedern (!): unverständliche Texte (insbesondere die Lesungen), altbackene 400 Jahre alte Lieder, immer dasselbe…, höchstens Mal Klavier als Highlight, usw. Da sich „von oben“ offenbar nichts ändert und die Pastoren zu selten Zeit für modernere Gottesdienstformen finden, stellte sich die Frage: Was können wir als engagierte und verbundene Mitglieder eigentlich tun? … Ich übernehme selbst seit Jahren Lektorendienste und bin schon oft über Texte „gestolpert“, die kein Mensch versteht. Ich überlege jetzt, dass mal anzusprechen. Mit „Durchhalten“ ist ja keinem geholfen.

    1. juhopma says:

      Auf jeden Fall geht es nur gemeinsam! Im besten Fall ist der KGR natürlich der richtige Ort… ich kenne einige Gemeinden, wo der „Impuls“ aus der Gemeinde ausging und dann – in Ruhe und mit viel Zeit – der Gottesdienst überarbeitet wurde. Aber immer mit KGR und mit den Pastoren im Boot.

  3. Heidrun Buitkamp says:

    Vielleicht wird aus dieser EKD-Umfrage etwas Gutes?
    https://www.ekd.de/online-umfrage-gottesdienst-33130.htm

  4. Ich kann mit keinen Gedanken da an vielen Dingen anknüpfen. Meine Erfahrung hier ist, dass gemeinsames Essen in der Kirche die Art und Weise, den Gottesdienst zu feiern, verändert, weil eine Gemeinschaft entsteht, die das „Nebeneinandersitzen“ so nicht zu schaffen vermag.
    Danke für die Gedanken!

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